BMW F 900 GS im Test: Mehr als erleichtert

BMWs F-Modelle waren eine Alternative zur verfettenden Boxer-GS – bis auch sie zu schwer waren. Wir fuhren zwei Wochen eine F 900 GS nach der Modellpflege-Diät.

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BMW F 900 GS

(Bild: Ingo Gach)

Lesezeit: 11 Min.
Von
  • Ingo Gach
Inhaltsverzeichnis

Die BMW G/S war 1980 ein von BMW selbst unerwartet großer Erfolg. Die folgenden Boxer-GS wurden zunehmend fetter. Ernsthaftere Geländereisende stiegen daher seit 2008 vermehrt auf die GS-Versionen der F-Modelle um – bis ihr Gewichtsvorteil dahin war. BMW lernte daraus und konstruierte für den Modelljahrgang 2024 eine "zu 80 Prozent" neue Nachfolgerin. Wir konnten die F 900 GS auf Herz und Nieren testen.

Das Kürzel "GS" steht bei BMW für Geländesport und genau da haperte es lange Zeit bei der Marke. Die Boxer-GS verkauft sich zwar in unglaublichen Stückzahlen, aber das ursprüngliche Talent, sowohl auf der Straße, als auch im Gelände gut zu fahren, ging im Laufe der Jahrzehnte verloren. Hauptgrund dafür ist ihr hohes Gewicht: Brachte die R 80 G/S 1980 nur 196 kg auf die Waage, wurden es bis zur R 1250 GS auf 249 kg ohne Extras, die R 1250 GS Adventure kommt sogar auf stattliche 268 kg.

Dass die neue R 1300 GS in der nackten Basis-Variante 237 kg wiegt, liegt nicht nur an der leichteren Konstruktion, sondern auch daran, dass sie serienmäßig keinen Hauptständer mehr besitzt und der Tank auf 19 Liter schrumpft. Doch mit einigen Extras, die fast jeder Kunde ordert, überspringt auch die 1300er die Fünf-Zentner-Grenze.

Lange Zeit hatte daher die F 800 GS mit einem 85 PS starken Reihenzweizylinder und 214 kg Leergewicht die Rolle der geländetauglichen Reise-BMW übernommen. Sie erfreute sich großer Beliebtheit, dank eines günstigen Einstiegspreises. Doch bei ihrer Nachfolgerin F 850 GS gab es 2018 lange Gesichter, denn sie wog mindestens 229 kg, die F 850 GS Adventure gar adipöse 248 kg, bei 95 PS Höchstleistung. Da sie zudem kein Sonderangebot war, blieb der Verkaufserfolg aus. Die neue Generation soll diese verhängnisvolle Tendenz wieder umkehren: Die F 900 GS wiegt fahrfertig aufgetankt in Basis-Ausstattung 219 kg.

BMW F 900 im Test (9 Bilder)

BMW hat mit der F 900 GS endlich wieder eine leichte Enduro im Programm.
(Bild: Ingo Gach)

Für die Diät ergriff BMW umfassende Maßnahmen, so wiegt der Heckrahmen 2,4 kg weniger als an der Vorgängerin und die Neue erhielt serienmäßig einen um 1,7 kg leichteren Auspuff des Zulieferers Akrapovic. Der 14,5-Liter-Tank ist zwar nur um einen halben Liter kleiner, besteht aber nun aus Kunststoff, statt aus Blech – Gewichtsersparnis: 4,5 kg. Die Lithium-Ionen-Batterie ist um ein Kilogramm leichter, der neue LED-Scheinwerfer um 600 Gramm, der Seitenständer um 400 Gramm und die Schwinge mit geringerer Wandstärke um 250 Gramm. Das Rücklicht wurde komplett eingespart und in die LED-Blinker integriert.

BMW spendierte der Enduro für eine gute Geländetauglichkeit vorne ordentliche 230 und hinten 215 mm Federweg, die Sitzhöhe steigt entsprechend auf 870 mm. Nicht eben wenig, wie ich beim ersten Aufsitzen feststellen muss. Zum Glück ist die Sitzbank vorne relativ schmal gehalten, so dass die Schrittbogenlänge nicht allzu groß ausfällt. Die Sitzhaltung erweist sich als angenehm, der Kniewinkel ist entspannt, einzig der breite Fat-bar-Lenker ist für meinen Geschmack einen Tick zu hoch positioniert. Unsere Testmaschine in "Sao Paulo Yellow" – eigentlich ein Giftgrün – startet dank "Keyless Ride" auf Knopfdruck statt mit einem Zündschlüssel. Das sehr gut aufgeteilte 6,5-Zoll-TFT-Display mit Smartphone-Konnektivität erwacht zügig. Zur Verfügung stehen die Fahrmodi "Rain", "Road", "Dynamic" und "Enduro Pro", für den Anfang wähle ich den "Road"-Modus.

Der in F 900 R und F 900 XR schon länger bewährte Reihenzweizylinder erwacht mit vernehmlichen Böllern aus dem Akrapovic-Endschalldämpfer. Die Drehzahl liegt bei kaltem Motor bei über 2000/min, erst nach einigen Sekunden fällt sie in leisen Leerlauf. Eingetragen sind bei der F 900 GS verträgliche 91 dB(A) als Fahrgeräusch, sie ist also keine Krawallmaschine.

Die Seilzug-Kupplung lässt sich leicht ziehen, der erste Gang rastet unspektakulär ein. Der in China bei Loncin gefertigte 895-cm3-Motor leistet 105 PS bei 8500/min und hat eine maximale Kraft von 93 Nm bei 6750/min. Der Motor zieht zwar nicht bullig, aber dennoch flott los, hier macht sich nicht nur das geringe Gewicht, sondern auch die um sieben Prozent kürzere Übersetzung bemerkbar. Darüber legt der Zweizylinder gefühlt fast linear bis zum roten Bereich zu, der auch schon bei der Nennleistung von 8500 Touren beginnt.

Die Testmaschine ist mit dem aufpreispflichtigen "Schaltassistent Pro" ausgestattet, die Gänge lassen sich also ohne Ziehen der Kupplung hoch- und runterschalten. Das funktioniert ausgezeichnet, die Übergänge sind angenehm sanft. Wie es sich für eine zünftige Geländemaschine gehört, rollt die F 900 GS vorne auf einem 21-Zoll-Rad, hinten wählt BMW allerdings einen 17- statt 18-Zöller. Die Felgen sind außermittig eingespeicht fürSchlauchlosreifen. Damit lässt sich die Enduro sehr leicht dirigieren, zeigt eine wunderbare Handlichkeit, wenn auch nicht die gestochen scharfe Präzision eines 17-Zoll-Vorderrads. In der Innenstadt kommt man auf ihr gut zurecht, sie bleibt trotz ihres länglichen Radstands von 1590 mm agil.

Für die Landstraße wechsle ich per Knopfdruck am rechten Lenkerende in den "Dynamic"-Modus und die Gasannahme (bei gleicher Höchstleistung) wird spürbar direkter. Es ist erstaunlich, was mit der Enduro auf kurviger Strecke alles geht. Runterschalten ohne Kupplung – dank Quickshifter – und die Verzögerung der F 900 GS mit ihren beiden schwimmend gelagerten Brembo-Bremszangen am Vorderrad gelingt stets sicher und punktgenau, das Kurven-ABS arbeitet zudem feinfühlig. Das Einlenken verlangt so gut wie keinen Kraftaufwand und die BMW lässt sich sehr schräg um die Ecken scheuchen, manchmal kratzt sogar die Fußraste über den Asphalt. Es macht höllischen Spaß, die F 900 GS um Kurven jeglicher Radien zu treiben, sie macht alles gelassen mit.